Die USA war für mich schon immer ein Traum gewesen. Und mit dem Chicago Marathon 2019 beginnt eine wunderbare Reise, die für mich zu den größten Highlights der bisherigen Marathontour gehörte. Doch diesmal sind die Vorzeichen alles andere als ideal. Zum damaligen Zeitpunkt erwischte mich eine schlimme Erkältung mit Kopfschmerzen, Husten und schwachem Immunsystem. Ich musste mich entscheiden, ob ich die USA Reise antrete oder es belassen soll. Drei Tage vor dem Marathon lief ich eine letzte Runde. Körperlich war ich fit. Doch hundertprozentig fit war ich noch längst nicht! Ich entschied mich für die Reise in die USA, weil ich nicht zu Hause Däumchen drehen wollte.
Und später stellte sich heraus, dass ich diese Entscheidung nicht bereuen werde. Aber ich erzähle euch hier mehr von meiner Reise und meinen Erlebnissen vor dem Lauf, damit ihr sehen könnt, durch was für ein Wechselbad der Gefühle ich ging.
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Reise nach Chicago und zur Startnummernausgabe
Es ging von München nach London und von dort mit der Norwegian Airline nach Chicago. Der Flug war nicht gerade die Traumreise schlechthin. Aber sei’s drum. Endlich in Chicago gelandet stellte sich für mich erstmal die Frage, wie ich eigentlich zur Airbnb Unterkunft kommen sollte, die in einem Vorort von Chicago lag. Erst einmal habe ich geflucht, dass ich keine Unterkunft direkt im Herzen der Stadt gebucht habe, sondern irgendwo im Hinterland von Illinois und es stellte sich heraus, dass der Ort mit den öffentlichen Verkehrsmitteln besonders an Wochenenden sehr, sehr schwer erreichbar ist. Die einzigen verbleibenden Optionen sind Automiete, die Nutzung von Uber oder die Taxifahrt. Ich habe noch nie einen so schwer erreichbaren Ort wie diesen erlebt. Doch als ich endlich da war, war erstmal Entspannung angesagt. Denn am nächsten Tag ging es wieder nach Chicago mit dem sogenannten Midway Commuter, einem öffentlichen Shuttlebus zwischen Bourbonnais und Chicago.
Die Startnummer wurde in Chicago in der Abbott Health & Fitness Expo am McCormick Place ausgegeben. Das ist eine riesige Ausstellungsfläche in Chicago mit über 241 Tausend Quadratmetern. Genug Platz also, um herumzutoben und ein paar Joggingrunden zu bestreiten. Die Startnummern habe ich abgeholt und dafür noch ein sehr schönes Laufshirt erhalten. An den Ständen gab es auch viel zu entdecken. Doch meine Energievorräte waren vorhanden und kaufen wollte ich bei meinem Aufenthalt in den USA auch nicht unbedingt etwas. Die Übernachtung fand direkt im Hotel in Chicago statt. Und da konnte ich zum ersten Mal die Stadt mit ihren Skyscrapern richtig genießen.
Am Renntag – ich bin alles andere als 100% fit
Kurz vor 7 wollte ich unbedingt am Startplatz sein. Es war ein kalter, windiger Tag in Chicago. Bis zum Startplatz ist es ein kleiner Fußmarsch von ca. 15 Minuten vom Hotel bis zum Grant Park, wo der Lauf stattfindet. Um ca. halb 7 machten wir uns schon auf den Weg zum Lauf. Gefrühstückt habe ich nur einen kleinen Snack und ordentlich Wasser getrunken. Der geringe Appetit war schon ein Signal, dass ich an diesem Tag nicht die beste Leistung abliefern werden. Doch wenn ich schon da bin, warum soll ich es nicht wagen. Es sammeln sich vor dem C Startblock immer mehr Läufer an. Aber es geht erstaunlich schnell und unkompliziert durch das Gate.
Man könnte meinen, dass hier nur ein kleiner Marsch zu einem gemütlichen 10km Lauf im Olympiapark stattfindet und nicht zu einem der wichtigsten World Major Marathons. Doch wenn der Lauf später beginnt, werde ich eines Besseren belehrt. Kleiderbeutel abgegeben, weitere Snacks zu sich genommen – endlich kanns losgehen! Es sollte mein persönliches Highlight des Jahres werden. Doch vor dem Start dachte ich nur: genieß einfach den Lauf, jogge die Strecke zu Ende. Aber finishe ihn wenigstens. Im Startblock C geht’s noch überschaubar zu.
Zwischen den vordersten Startblock und dem Startblock C driften die Startzeiten nicht allzu weit auseinander. Mein Feeling vor dem Start: noch wenig angeschlagen und nicht gar nicht bei 100%! Ich hielt für eine Weile inne und sammelte meine Kräfte, während ich ruhig ein- und ausatme. In der Ruhe liegt die Kraft!
Es geht los – Kilometer 10 -15
Es geht in Chicago endlich los. Die Strecke verläuft größtenteils geradlinig und flach gegen Uhrzeigersinn durch den Millennium Park vorbei an Skyscrapern und zujubelnden Menschen. Nach einem kleinen Zickzackkurs geht’s dann schnurstracks geradeaus Richtung Lincoln, wodurch ich fast meinen 10 Kilometer Stracke erreiche. Schon in den ersten 10 Kilometern habe ich gemerkt: ich renn zwar im langsameren 4: xx min/km Pace. Aber das wird heute definitiv nichts mit neuer Bestzeit. Zu sehr benommen war ich noch nach meiner Erkältungsphase. Die ersten Kilometer lief ich noch im lockeren Tempo mit. Zwischen Kilometer 5 und 10 wurde das Tempo aber deutlich langsamer mit einer bessere 5er min/km Pace. Bis zur 10. Meile laufen wir Richtung Chicago History Museum zurück zum Stadtteil. Bis dahin habe ich kränkelnder Patient das irgendwie noch gepackt. Ans Aufgeben habe ich dabei nicht gedacht. Durch das Laufen wird der Körper in Schwingung gebracht. All die körperlichen Beschwerden, die mich davor lahmlegten, waren zwar nicht komplett weg. Doch sie rückten in den Hintergrund. Die Kilometermarke 15 erreiche ich mit in knapp 1:17 Stunde. Das ist weit über dem, was ich sonst so laufe. Doch ich war nur froh, dass ich noch lebte.
Kilometer 15-25 – der Kampf beginnt schon jetzt
Nach der Kilometermarke 15 geht’s dann ein wenig weg von der Stadt Richtung Westen durch den Stadtteil Greektown. Bei mir wars nur noch ein Abschalten auf den Standby-Modus, bei der ich in den Jogging Modus umschaltete. War zwar kein aufregender Tag zum Laufen. Aber es war eine vernünftige Option, um ganz sicher das Ziel zu erreichen und nicht auf halber Strecke aufzugeben. Und ich habe noch nie aufgegeben bei einem Marathon! Aber großes Lob an die Zuschauer: sie jubeln und feuern einen regelrecht an. Da kann man einfach nicht aufgeben. Ich erreiche endlich Kilometer 20 und es ist nicht mehr lang bis Kilometer 21. Diesen einen Kilometer laufe ich in 6:23Minuten. So langsam wie auf dieser Strecke war ich noch nie. Lag wahrscheinlich daran, dass ich an den Verpflegungsständen noch ordentlich Zeit gelassen habe. Mit einem Wettkampf hat das längst nichts mehr zu tun, nach dem alle möglichen Läufer mich überholt haben. In diesem gemütlichen Tempo liefs dann bis Kilometer 25. Wenn man die Strecke mit einer Uhr vergleicht, ist der Stundenzeiger bei 9 Uhr und es geht wieder zurück zum Ursprung.
Kilometer 25-35 – ich werde langsamer und langsamer
Innerlich habe ich noch nicht aufgegeben. Doch mein Körper ist heute nicht in Bestverfassung. Es erinnert mich an einen der Halbmarathons, bei der ich mit Magenverstimmung antrat und im gemütlichsten Tempo die Strecke zu Ende lief – ohne dabei sportliche Akzente zu setzen. An normalen Tagen hätte ich innerlich gesagt: lauf die Strecke mit Herz und Power zu Ende. Aber es war an diesem Sonntag ein Jogginglauf durch Chicago. Es geht die Straße entlang am Jackson Blv. Weiter zur Halted St. und anschließend durch Little Italy. Die Strecke ist flach, schnell und wir werden weiterhin begleitet von zujubelnden Zuschauern. Ein Streckenabschnitt, den man auch hervorheben kann, ist das Chinatown in Chicago. Auf jeden Fall ist das ein anderes Stadtbild, das sich zur Abwechslung mal auftut. Ich registriere aber die Stadtteile nicht mehr, da der innere Schweinehund bekämpft werden musste. Die Food Stations befanden sich bei Meile 22 und 23 fast schon in unmittelbarer Nähe. Doch der Magen versagte an diesem Tag. Er wollte wenig frühstücken und auch die Bananen wurden an den Ständen ignoriert. Na, wenn dieser Lauf nicht zum Desaster wird.
Endspurt – aus dem Joggingmodus wiedererwacht
Bis zum Ziel war es nur noch ein lockerer Lauf auf der Zielgerade. Mehr konnte ich an diesem Tag nicht bewegen und es war mir auch egal, sofern ich das Ziel heil überstehe. Nach der 35th Street führt nur noch eine gerade Strecke Richtung Grant Park zum Ziel. Also aufwachen und die Strecke zu Ende laufen. Normalerweise hätte ich gesagt, dass die 7 Kilometer ein Schlussspurt in unter 30 Minuten zu bewältigen sind. So flach, so gerade, so eine schnelle Strecke und viel Platz – das ist ein Traum für jeden Läufer. Doch mein Körper schwächelt wieder. Er will nur ins Ziel eintrudeln. Und dann war die letzte Meile da und sie kam mir ewig bis zum Ziel vor. Jetzt hieß es nur: ein Bein vor das andere!
Fazit vom Lauf
Als ich die Ziellinie nach 4:12 Stunden erreichte, war ich so erleichtert und es fiel ein Stein vom Herzen. Jeder andere vernünftige Läufer hätte in den ersten Kilometern schon aufgegeben oder den Lauf gar nicht begonnen. Doch ich sammelte innerlich mein ganzes Chi und zog das Ding durch. Die Zeit ist zwar über 40 Minuten schlechter als ursprünglich angestrebt. Doch ich war froh über meinen nächsten Abott Major Marathon Medaille und letztendlich auch froh, dass mein Herz mich ins Ziel brachte. 3 Tage vor dem Lauf lief ich meine letzte Joggingeinheit und wurde von anderen Joggern überholt. Mein Herz raste, der Husten verging nicht und meine Beine wurden schwer. Da war mir schon klar, dass ich es nicht packte. Doch innerlich habe ich die Hoffnung nicht auf und verschob meine Entscheidung auf Samstagabend in Chicago, ob ich es durchziehe. Auch da war ich nicht fit. Doch eine innere Stimme sagte mir, dass ich es packen werde.
Ich lief die Strecke und bekam Herzrasen, hatte einen Frosch im Hals, frierte am Körper am Morgen, der Husten verging nicht vor dem Lauf. Doch mehrere Wunder passierten im Lauf: die ganzen Beschwerden verschwanden im Lauf nach einer Weile. Der Körper passte sich wieder an die Intensität an. Am Morgen danach war ich wie ausgewechselt. Ich aß die doppelte Slam American Frühstücksportion, trank zuckerhaltige Getränke und tänzelte einige Tage später im Central Park leichtfüßig die 13 Kilometer Runde. Wer hätte gedacht, dass die USA mich wieder heilte. Eins kann ich aber versprechen: der nächste Marathon wird mit vollem Akku und besserer Zeit gelaufen.
Allgemeine Infos zum Chicago Marathon
Der Chicago Marathon findet jährlich im Oktober statt. Mehr Infos zu den Terminen und Bewerbungen findet ihr hier unter https://www.chicagomarathon.com/
Der Chicago Marathon gehört zu den teilnehmerstärksten Laufevents weltweit. Im Jahr 2019 konnten rund 45000 Finisher verzeichnet werden.